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Verluste aus Wertpapiergeschäften – und die vertikale Verlustausgleichsbeschränkung

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Der Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG a.F. schließt einen sog. vertikalen Verlustausgleich zwischen privaten Veräußerungsverlusten (i.S. des § 23 Abs. 1 EStG) und positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausdrücklich aus.

Danach sind Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, auszugleichen, nicht aber nach § 10d EStG a.F. abzuziehen. Sie mindern lediglich nach Maßgabe des § 10d EStG a.F. die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 erzielt habe oder erziele (§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG a.F.).

Die nur eingeschränkte Abziehbarkeit der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften führt zu keiner verfassungswidrigen Ungleichbehandlung. Für die notwendige gleichheitsrechtliche Abwägung fällt insbesondere ins Gewicht, inwieweit dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen. Die privaten Veräußerungsgeschäfte und ihre einkommensteuerrechtliche Erfassung in § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. weisen -so der BFH- Besonderheiten auf, die es rechtfertigen, für daraus erzielte Verluste nicht die für Verluste aus anderen Einkunftsarten geltenden Regelungen für den Verlustabzug (einschließlich des vertikalen Verlustausgleichs) anzuwenden, sondern Sonderregelungen wie diejenigen in § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG a.F. vorzusehen. Eine solche -die angefochtene Sonderregelung rechtfertigende- Besonderheit sei die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Gewinne und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. nicht uneingeschränkt der Einkommensbesteuerung unterwerfe, sondern -anders als bei anderen Einkunftsarten- nur, soweit sie durch Veräußerungsgeschäfte innerhalb einer bestimmten Frist nach Erwerb der Veräußerungsgegenstände entstanden seien. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollten -unberührt durch die seit 1999 geltenden Änderungen- (nur) Wertmehrungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Der Gesetzgeber habe die Begründung des Steuertatbestandes für den Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 23 Abs. 1 EStG a.F. allein an die Abwicklung von Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erwerb des später veräußerten Objekts geknüpft. Veräußerungen außerhalb dieses Zeitraums mit oder ohne Realisierung von Wertsteigerungen sollten danach -anders als bei den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 ff. EStG)- grundsätzlich nicht steuerbar sein; nur die innerhalb der Fristen des § 23 Abs. 1 EStG durch Veräußerung realisierten Wertveränderungen werden der Einkommensteuer unterworfen. Die Vorschrift räume dem Steuerpflichtigen damit -anders als die Regelungen anderer Einkunftsarten- die Möglichkeit ein, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestandes zu entscheiden und damit sein Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Anspruch zu nehmen.

Diese Begründung zeigt, dass der Bundesfinanzhof in der dem Steuerpflichtigen eingeräumten Möglichkeit, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über die Steuerbarkeit einer Wertpapiertransaktion zu entscheiden, das maßgebliche Kriterium sieht, das es rechtfertigt, den Verlustausgleich bei privaten Veräußerungsgeschäften in einem größeren Umfang als bei anderen Einkunftsarten einzuschränken. Diese grundsätzliche Dispositionsfreiheit hatte auch der Spekulant in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall, zwar nicht mehr im Moment der Veräußerung der Wertpapiere und Optionen, dafür aber im Zeitpunkt deren Erwerbs, als er bewusst solche Papiere gekauft hat, die nur innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. veräußert werden konnten oder verfielen.

Der Bundesfinanzhof fordert aber nicht, dass diese Wahlmöglichkeit auch noch im Zeitpunkt der Veräußerung bestehen muss.

Dies wird z.T. aus der Passage in den BFH, Urteilen in BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259 sowie in BFH/NV 2007, 1473 geschlossen, in der beschrieben wird, dass ohne den Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs der Steuerpflichtige es in der Hand hätte, einerseits Verluste steuermindernd geltend zu machen, andererseits aber Gewinne durch entsprechende Dispositionen über den Zeitpunkt der Veräußerung steuerfrei vereinnahmen zu können, dass der BFH der Auffassung sei, die Beschränkung des Verlustausgleichs sei nur in dieser besonderen Konstellation verfassungsgemäß.

Eine solche Interpretation der beiden Urteile des Bundesfinanzhofs steht jedoch im Widerspruch zu den in ihnen enthaltenen grundlegenden Aussagen zu der entscheidungserheblichen Besonderheit des Tatbestandes des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F., nämlich der dem Steuerpflichtigen eingeräumten Dispositionsmöglichkeit. Dass der BFH im Anschluss an das Aufzeigen dieser Grundsätze noch die Situation einer nicht steuerbaren Veräußerung mit Gewinn bei einer gleichzeitigen steuerlichen Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten darstellt, soll lediglich das Problem dieses Steuertatbestandes verdeutlichen, indes keine zusätzliche Voraussetzung aufstellen.

Der Bndesfinanzhof verneint auch das Argument, die Einschränkung des vertikalen Verlustausgleichs bewirke eine „Einsperrung der Verluste“, die im Streitfall dazu führe, dass die aufgelaufenen hohen Verluste bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 nicht mehr ausgeglichen werden könnten.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs steht das Leistungsfähigkeitsprinzip einer Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs nicht grundsätzlich entgegen, solange nur tatsächlich entstandene Verluste überhaupt, ggf. in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Ein endgültiger Wegfall der Verlustnutzung kann im Streitfall aber erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 eintreten (vgl. § 52a Abs. 11 Satz 11 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung), darüber kann daher in den Streitjahren noch nicht befunden werden.

Der Bundesfinanzhof hat sich in seinen beiden grundlegenden Urteilen zur Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG a.F. auch ausdrücklich sowohl mit dem objektiven als auch mit dem subjektiven Nettoprinzip auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass sie der Verlustausgleichsbeschränkung nicht entgegenstehen.

Sofern die Kläger durch die Verlustausgleichsbeschränkung ihr Existenzminimum als nicht mehr steuerlich verschont ansehen, hätten sie sich inhaltlich mit dem BFH, Beschluss in BFHE 209, 379, BStBl II 2005, 609 auseinandersetzen müssen. In diesem hatte der Bundesfinanzhof die Beschränkung des Verlustvortrages gemäß § 10d Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 auch im Hinblick auf die Sicherung des Existenzminimums als verfassungsgemäß angesehen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. Mai 2015 – X B 171/14


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